"Der Film "Der Kandidat" ist ein Film ist ein Film. Er ist kein politischer Leitartikel. Er lässt sich in keine Pflicht nehmen. Er macht sich viele Bilder, aber er liefert kein Bild. Würde er nur, wie in dem Dokumentationsteil von Stefan Aust, die Stationen einer Karriere nachvollziehen, könnte man ihn für ehrenwert halten und vergessen. Aber er handelt, soweit ihn Kluge und Schlöndorff gemacht haben (vor allem Kluge), von Sachen, die nicht so deutlich darstellbar sind, die den Kandidaten Strauß begleiten, mit denen er umgeht: von der Angst in Deutschland und von den Bildern der Macht, der Macht der Bilder. ...
Kluge und Schlöndorff kreisen die Figur Strauß mit vielen, eben auch unvernünftigen, phantastischen Mitteln ein. Sie montieren Gegensätze, die aberwitzig, irreal erscheinen, aber doch die Realität eines zerrissenen Landes dokumentieren: den glanzvollen Einzug des Kandidaten in den Festsaal zu Passau am Aschermittwoch (aus der Entfernung, in einer gewaltigen Totale gefilmt) und das triste Rummelplatz-Karussell vor dieser Weihestätte; den Parteitag der Grünen und einen zur gleichen Zeit stattfindenden Luftwaffen-Ball ein paar hundert Meter weiter.
Gerade Schlöndorff erweist sich in diesen Sequenzen als ein brillanter Dokumentarist: mit einem scharfen Auge für absurde Details. Bei der Passauer Rede von Strauß richtet er seine Aufmerksamkeit auf zwei gelangweilte, abwesend wirkende Saalwächter, die hinter dem Kandidaten am Rande der Bühne stehen. Plötzlich sieht man ihn, den Riss zwischen der offiziellen Pose und der beiläufigen Privatheit: unversöhnlich."